Samstag, 28. Dezember 2013

Eine Studie in Digital Oder Sherlock, Doctor Who, die BBC und das Netz

Das Interessante an alten Hunden ist: Einige von ihnen sind wirklich gut darin, neue Tricks zu lernen. Für "alte Medien" gilt das auch. (Meist deshalb, weil der Trick eigentlich nicht neu ist, sondern nur seine Adaption.) Oft genug geht, wenn es um die Zukunft des Journalismus geht, der Blick zu Traditionstiteln. Zur grauen Lady New York Times. Zum britischen Guardian. Im deutschsprachigen Raum auch zur Zeit oder zur alten Tante NZZ. 

Und wenn es um die Zukunft von TV sowie die Verbindung von Mattscheibe und Netz geht, dann ist die BBC definitiv einen Blick wert. Die Art, wie the Beep für Formate wie Sherlock, Doctor Who oder Top Gear das Publikum im Netz umgarnt, könnte für ein paar elementare Erkenntnisse gut sein.

Am besten sichtbar wird dieses Vorgehen sogar bei Formaten, die an und für sich alt sind. Jüngstes Beispiel stellen die Promotion-Maßnahmen rund um den Start der dritten Staffel von Sherlock dar - eine in die Gegenwart übertragene Neuadaption des klassischen Detektivs. Nach zwei Jahren Sendepause muss man schon mal auf die nächste Ausstrahlung aufmerksam machen. Und der BBC gelingt das weltweit mit ein paar Clips. Nach Teasern und Trailern folgte kürzlich mit der Kurz-Webisode Many Happy Returns der Höhepunkt. Ein knapp siebenminütiges Prequel zur ersten Folge der neuen Staffel, die zu Neujahr fällig ist.

Nicht billig geschraubt, nicht achtlos hingeschmissenes "irgendwie müssen wir das Publikum ja bei Laune halten"-Material, sondern vom selben Team als detailliert durchkonzipierte Geschichte in guter Weblänge hochwertig produziert.

Und viral genug, dass der Siebenminüter mir mehrfach in meinen Streams begegnete, auf Facebook, Twitter oder Medienplattformen. So geht Content Marketing.


Bild: Screenshot.

Montag, 23. Dezember 2013

Samsung zieht geistig blank Oder Frauen aufreißen mit der Smartwatch Gear

Eine Frage, die bei neuen Gadgets - etwa Smartwatches - gerne aufkommt, ist: Und wofür ist das gut? Der neue Spot, mit dem Samsung Mobile für seine Smartwatch Gear wirbt, zeigt: Sie wissen's auch nicht. Anders kann man sich "Are You Geared Up?" eigentlich nicht erklären. Denn das Argument, wofür man eine Smartwatch braucht, lässt sich hier zusammenfassen mit "Um Frauen zu beeindrucken."

Ich warte jetzt mal einen Moment, bis ihr aufgehört habt, zu lachen.

Bei Samsungs Marketingabteilung sind offenbar ein paar Zahnräder locker. Bild: Screenshot.

In diesem Spot gibt der klobige Kasten am Handgelenk ernsthaft den Eisbrecher, Date-Doktor und Cyrano de Bergerac. (Sperrig genug dafür wäre Gear ja.) Denn jegliche Funktion führt der Skifuzzi-Geek im Clip nur vor, um das Mädel zu beeindrucken. Während der andere Nerd - zur besseren Identifikation darf der die Strick-Bendelmütze nicht abnehmen - mit seinem sperrigen Smartphone möglichst komplett versagt. Und die Dame pflichtschuldig beeindruckt und charmiert dreinschaut.

Montag, 2. Dezember 2013

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ein PR-Ballon! - Amazon und wir Drohnen

Amazon-Boss Jeff Bezos ist schon ein bemerkenswerter Fuchs, ein Erfolgsunternehmer und ein Innovator. Das kann man neidlos anerkennen. Sein neuestes, hochfliegendes Kunstwerk ist schon fast ein Lehrstück des zahlenorientierten Gründers: Eine vermutlich sauber achtstellige Medialeistung direkt zum Cyber Monday, also einem extrem umsatzlastigen Tag im US-amerikanischen E-Commerce-Markt, für fast umsonst erzielen.

Es braucht bloß zwei kleine Plastikdrohnen, einen schnell runtergekurbelten 80-Sekünder und, am wichtigsten, er durfte nicht anfangen zu lachen, während er dem CBS-Moderator Charlie Rose die Pläne zu Amazon Prime Air verkauft hat. Und schon fliegt der PR-Ballon auf Felix Baumgartners Spuren gen Stratosphäre.

Die zwei Plastik-Octocopter da auf dem Tisch, die sind nebensächlich. Die Drohnen, die Bezos so meisterhaft dirigiert, das sind wir. Genauer: jeder, der fröhlich mehr heiße Luft in den Ballon geblasen hat, statt die Nadel zu zücken.

Aber der Reihe nach. Amazon Prime Air stellt er vor als ein Konzept, Amazon-Lieferungen in Großstädten via Drohne durchzuführen. Bestellen - zack, binnen 30 Minuten kommt die vollautomatische Brieftaube und setzt ihr Päckchen ab. 

Für Lieferungen von maximal 2,5 Kilo.
Mit einer Reichweite von 16 km.
In bestenfalls vier, fünf Jahren.
Wenn die amerikanische Aufsichtsbehörde FAA sich überhaupt dazu durchringt, Drohnen für derartiges zuzulassen.

Alles Dinge, die Bezos bei CBS völlig offen zugibt. 

Völlig unbelastet davon hob die Geschichte trotzdem ab. "Amazon will via Drohne liefern" - alles andere sind doch nur lästige Details.


Samstag, 30. November 2013

Querverweis - Der Jugendwahn im Netz

Drüben im Kontakter-Blog hab ich mal was über die Fokussierung auf Digital Natives und den Jugendwahn im Netz geschrieben. Darüber, dass viele Marken jung, hip und dynamisch sein wollen, Teenager vermutlich nicht alles besser wissen und es schlimmeres gibt, als für die Justin-Bieber-Zielgruppe uncool zu sein.

"Marken im Netz, die meisten Startups und viele Internetunternehmen versuchen sich an etwas, an dem schon Generationen von Eltern gescheitert sind: Teenager verstehen. Der Digital Native, das unbekannte Wesen. Aus den Bewegungen der Jugendlichen versuchen sie, Trends und Erfolgsmodelle abzuleiten. Das nächste große Ding zu finden. Umgetrieben von der Angst, nicht mehr cool zu sein, die Kunden von morgen zu verlieren."
"Aber stimmt das? Sind die Digital Natives die Kunden von morgen?"

Mehr hier.

Dienstag, 26. November 2013

Invisible Girlfriend - Falsche Freundin aus dem Netz

Man könnte jetzt einige Vermutungen anstellen, warum bei den Pitch-Wettbewerben von Tech Meetups oder Startup Meetups gerne mal die "antisozialen" Ideen gewinnen. Übersättigung mit Social Media? Ironischer Kommentar? Oder ein signifikanter Anteil von Klischee-Nerds, die gesellschaftliche Aktivitäten eher als lästigen Zwang betrachten? 

Jedenfalls gewann den Wettbewerb beim Startup Weekend St. Louis ein Projekt, das voll auf der Linie des vollautomatisierten Foursquare-Münchhausens CouchCachet liegt: Invisible Girlfriend. Ein kostenpflichtiges Angebot, Singles eine imaginäre Freundin zur Verfügung zu stellen (Der imaginäre Freund ist auch in Planung, keine Sorge). Damit sie dieses lästige Dating los sind und vor allem die nervigen Fragen von Kollegen, Bekannten und Familie. Ich mache hier keine Witze, das ist das Konzept:

"So you can get back to living life on your own terms." Screenshot.

Gestaffelt nach Paketen gibt's dann interaktive SMSe, automatisierte Anrufe, ein Facebook-Beziehungsstatus-Update und in der Premium-Variante die "Custom Girlfriend Characterization". (Da lässt sich als Geburtsort dann sicher auch Stepford angeben.)

Die Zielsetzung des Ganzen gibt Gründer Matt Homann bei Riverfront Times so an:

"We're not trying to build a girlfriend they can believe in -- that's a whole other level of technology," says creator Matt Homann. "We're giving them a better story to tell, even if the story isn't true."

Die Absurdität dieses Ansatzes verdeutlicht ganz gut, dass ein ähnliches Konzept in der Arnold-Schwarzenegger-Komödie Last Action Hero auftaucht: Im Lauf des Films stellt sich raus, dass die nervigen Anrufe von seiner Ex-Frau, auf die er mit vorbereiteten Tonbändern reagiert ("Aha", "ja", "hm","ja, da hast du recht"), gefakt sind - er jemanden dafür bezahlt, ihn anzurufen, damit er den Kollegen gegenüber cooler wirkt.

Wenn die eigene Geschäftsidee als Scherzszenario in einer Schwarzenegger-Komödie vorgekommen ist, sollte man kurz innehalten.

Dienstag, 12. November 2013

Netzespresso: Goldidee mal anders - Wie die Agentur Rethink für eine Cannes-Löwen-Schwemme sorgt

Mit preisgekrönten Werbearbeiten ist das so eine Sache. Immer wieder reichen Agenturen die berüchtigten Goldideen ein - Projekte, die eigentlich nur besonders kreativ und preiswürdig sein sollen, um Awards abzustauben. Ob sie dem Kunden was bringen, ist eher nebensächlich. Hauptzweck ist eine Trophäe mehr in der Vitrine und auf der Referenzenliste.

Die kanadische Agentur Rethink hat den Prozess jetzt abgekürzt. Warum aufwendige Ideen und Konzepte entwickeln, nur um ein paar Preise mehr auf dem Tisch stehen zu haben? Wenn's nur um die geht, kann man auch gleich die drucken. 

Also haben die Kanadier den 3D-Drucker angeworfen und sich ein paar Goldlöwen gemacht. 811, um genau zu sein. 

Die Agentur mit den meisten Cannes-Löwen, frisch aus dem eigenen 3D-Drucker. Screenshot.

Das Löwenrudel hat in den Agenturbüroräumen Gesellschaft von hunderten anderer Preise, mit denen sie ebenfalls dekoriert haben. Ein augenzwinkernder, ironischer Kommentar zum Award-Wesen. Denn manchen Ideen geht es wirklich nur darum. Und das Löwen-Hamstern bei den Media Lions in diesem Jahr zwang das Cannes Festival sogar zu einer offiziellen Stellungnahme aufgrund der schieren Anzahl von Agenturen, die für sich Löwen in Anspruch nahmen, weil sie an einem Projekt auch nur irgendwie beteiligt waren. (Über die Löwen-Druckerei dürfte das Festival aber auch nicht gerade glücklich sein, da kann in Toronto und Vancouver noch ein Brüllen aus Cannes ankommen.)

Montag, 4. November 2013

Perlen und Glasperlen, Fische und Angler - Vom Wert der Multimediareportagen

Manchmal ist es schon lustig. Da spricht Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegner Anfang letzter Woche noch darüber, dass sich die multimedialen, interaktiven und animierten Erzählelemente, wie sie Multimediareportagen wie Snowfall oder Stalinallee einsetzen, auch hervorragend für Features eigneten, um komplexe Zusammenhänge zu erklären, und dass das ein noch unterschätzter Hebel im Onlinejournalismus sei. Und am Freitag legt der Guardian quasi wie bestellt NSA Files: Decoded vor. Ein Multimedia-Feature, das für Nutzer die komplexe Thematik mit Text, Videos, Grafiken und Animationen aufbereitet, versucht, es für jeden greif- und begreifbar zu machen.

Der Guardian illustriert, was Multimediafeatures leisten - und welche Probleme auftreten können.


Also folgt nach Text 1, 2 und 3 über Multimediareportagen im Onlinejournalismus jetzt halt noch der vierte binnen einer Woche.

Aber fangen wir etwas weiter vorne an, die Zeilen oben sind eher ein innerer Monolog als ein Texteinstieg.

Beim Thema Zukunft des Journalismus und der Frage, was der Onlinejournalismus an neuen Möglichkeiten bietet (die Menschen dann vielleicht auch Geld wert sind), stechen eine Reihe von Leuchtturmprojekten aus dem Nebel heraus, in dem wir unseren Pfad suchen. Multimedia-Reportagen, die aufwendig Text, Video, animierte Elemente und Visualisierungen verbinden, um Geschichten zu erzählen. Sie stechen heraus, weil sie sichtbare, griffige Beispiele darstellen, nicht zwangsläufig, weil sie wegweisend sind. Einiges davon führt aber schon auf richtige Pfade. Meist dient als Referenz und Kürzel für diese Multimediareportagen das Projekt Snowfall der New York Times.

Es gehört ja zu den Eigenarten von Debatten über die Zukunft des Journalismus, dass die NYT als leuchtendes Beispiel und Vorreiter herhalten muss, eine Art Steve Jobs der Medienwelt. In vielen Fällen auch zurecht, aber sie sind nicht die einzigen, die sich an derartigen Dingen versuchen. Und gerade aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung nicht das beste Beispiel, weil sich hier gesammelte Erfahrungen nur begrenzt auf andere Titel übertragen lassen.

Montag, 28. Oktober 2013

Netzespresso: Spielen für weniger Abgelenktheit

Es blinkt, es fiept, es push-notified. Zu den fünf Mails, die in diesem Satz vermutlich schon wieder angekommen sind, kommt ein Dutzend Dinge in zwei Dutzend Browser-Tabs und was sonst noch alles. Wie soll man sich da nur konzentrieren? 

Mit Spielen.

Zumindest für die ältere Zielgruppe (und wir reden hier nicht von Gamer-alt, das wäre ich, sondern von Personen ab 60) scheint das zu funktionieren, wie eine in Nature veröffentlichte Studie zeigt. Ironischerweise ist es dem Team um Adam Gazzaley dabei ausgerechnet mit einem Computerspiel gelungen, das Multitasking, die Konzentrationsfähigkeit und die kognitive Kontrolle zu verbessern. Also mit der Art von Produkt, von der Kritiker gern das Gegenteil behaupten ("Die Kids zocken viel zu viel...").

Probanden der Neuroracer-Studie. Screenshot des Nature-Videos.


Mittwoch, 23. Oktober 2013

"Women shouldn't" und Auto Complete Truth - Gute Algorithmen sind ein gnadenloser Spiegel

In all den Diskussionen über Big Data, Datenkraken und Informationsflut im Netz geht eins gelegentlich unter: Das Datenmeer kann nicht nur ein reiches Gewässer zum Fischen sein, es eignet sich auch als simpler Spiegel.

Vieles von dem, was im Netz zu sehen ist, ist unschön, unbequem, hässlich. Das ist aber nicht die Schuld des Netzes, sondern unsere. Der Spiegel kann nicht viel dafür, was er zeigt. Und gute Algorithmen sind ein gnadenloser Spiegel.

Ein frisches, plakatives Beispiel liefert die Werbeagentur Ogilvy & Mather Dubai für UN Women: In Printanzeigenmotiven platziert die Agentur über dem Mund von Frauen Google-Autocomplete-Vorschläge zu Formulierungen wie "women should", "women need to", "women shouldn't" oder "women cannot". Und das, was Googles automatische Komplettierung da ausspuckt, ist durch die Bank gruslig und rückständig. 

Shouldn't have rights, shouldn't vote, need to be put in their place, cannot be trusted, should be slaves.

Das Bild ist klar.

Bild: Christopher Hunt et al, Auto Complete Truth, Behance.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Schrödingers Katzenvideo Oder Viralität, Wahrheit, Medien und was Menschen nicht wissen wollen

Anfang Oktober flatterte ein herziges Stück viraler Content durchs Netz. Ein handgeschriebener Brief eines Großvaters, der seiner Tochter verbal die Ohren langzog, weil diese ihren schwulen Sohn verstoßen hatte. Das Ding habt ihr vermutlich irgendwo gesehen.

Kurz danach begann eine Diskussion darüber, dass Nullkommagarnix die Authentizität dieses Schriebs bestätigt, der von einer Modemarke ins Netz geschoben wurde, was Mediensites aber nicht davon abhielt, treuherzig darüber zu berichten. Eine Diskussion über "viral bullshit" (Jeff Jarvis) und "The slippery slope between viral and true" (Mathew Ingram). Angestoßen auf Gawker, von Gawker-Gründer Nick Denton.

Davon haben die meisten vermutlich nichts mitbekommen. Und das skizziert gut einen Teil des Problems, um das es hier geht.

Bei der Diskussion auf Gawker zwischen Chefredakteur, zuständigem Redakteur und Gründer ging es darum, ob es zu rechtfertigen ist, Inhalt mit Viralpotential einfach nur um des Traffic willens aufzugreifen - oder ob es nicht die verdammte Pflicht von Redaktionen wäre, nur Verifiziertes aufzugreifen.

Es gab ein paar interessante Sätze dabei, etwa  von Chefredakteur John Cook, über das Spannungsverhältnis sauberen Arbeitens versus Geschwindigkeit und Traffic:
"(...) we are tasked both with extending the legacy of what Gawker has always been—ruthless honesty—and be reliably and speedily on top of internet culture all while getting a shit-ton of traffic. Those goals are sometimes in tension."

Oder vom zuständigen Redakteur, dessen Job viral beschaffter Traffic ist:

"People don't look to these stories for hard facts and shoe-leather reporting. They look to them for fleeting instances of joy or comfort. (...)
Take a video I recently posted of a firefighter rescuing a kitten from a burning building. That kitten later died — a fact I included in an otherwise straightforward feel-good "cat video" post. That "oversharing" damaged the virality of that post, as the top comment chiding me for providing too much information clearly indicates.
You really can't have it both ways when it comes to viral content. If you want to capitalize on its sharing prowess and reap the PVs that come with that, then you simply can't take a hard-boiled approach to fluff.
People are just not going to share a cat video of a dead cat."

Ihr schaut euch diesen Text jetzt nicht ernsthaft wegen des Katzenfotos an, oder? Bild: Harald Schottner  / pixelio.de


Die vollständige Wahrheit wollen Menschen nicht hören, erst recht nicht teilen. Man könnte von Schrödingers Katzenvideo sprechen - es funktioniert nur, wenn die Menschen nicht wissen, dass die Katze tot ist. Im Unklaren gelassen werden.

Donnerstag, 26. September 2013

Netzespresso: Das Computer-Orchester oder Crowd dirigieren mit Kinect

Crowd-Musikprojekte an sich sind nichts Neues. Quer durchs Land oder über den Globus verteilte Menschen Samples und Fragmente für Lieder liefern zu lassen, damit daraus dann ein Gesamtwerk entsteht, stellt inzwischen ein erprobtes Verfahren dar.

Ein Projekt an der University of Art and Design in Lausanne spinnt den Gedanken des virtuellen Chors oder Orchesters nun aber weiter: Was, wenn die gemeinsame Performance dann auch wie vom Orchester vorgetragen würde? Das Trio Simon de Diesbach, Jonas Lacôte und Laura Perrenoud hat sich dafür das Computer Orchestra ausgeknobelt: Ein Setup von Laptops, auf die die jeweils ausgewählten einzelnen Samples aufgeteilt sind und von einem Dirigenten ausgelöst werden können. Vorne am Pult erfasst dann ein Kinect-Sensor (die Bewegungssteuerungs-Einheit von Microsofts Konsole Xbox) die Bewegungen des, sagen wir, Spielers.

Und dazu passend ertönt Musik.


The Computer Orchestra from computer-orchestra on Vimeo.





Verwandte Artikel:
Netzespresso: Wake up and hear the Coffee
Netzespresso: BlabDroids oder Wie Roboter eine Doku über Menschen drehen
Netzespresso: Die New York Times und die ernst genommenen Leserkommentare
CouchCachet - Der vollautomatisierte Foursquare-Münchhausen für verhinderte Social-Media-Selbstdarsteller

Mittwoch, 18. September 2013

Cologne Calling

Nein, dieser Blog ist nicht eingeschlafen. Da ich aber trotz dem Run-Up zum zweitägigen Dmexco-Wahnsinn ab und an schlafen will, fehlte mir in der letzten Zeit ein wenig selbige - Zeit.

Wird nach dem Ablauf des wunderbaren Irrsinns in Köln wieder besser.

Stay tuned.

Dienstag, 10. September 2013

One more meh - Schöne neue Austauschbarkeit?

Jetzt geht's wieder los mit den neuen Gadgets und Geräten. Nach Samsungs Smartwatch steht uns das Apple-Event ins Haus, und ganz generell bewegen wir uns direkt auf das zu, was US-Techblogs wie AllThingsD "Product Launch Season" nennen (Herbst klingt irgendwie so uncool, analog und webeinsnullig, auch wenn es für Scherze über Produkte, an deren Zukunft man nicht glaubt, sicher einiges hergäbe.)

Ein Problem, das schon die letzte Generation der meisten Smartphones, Tablets und sonstigen Gadgets begleitet hat, dürfte dabei wieder auftreten: Eine gewisse Affektabflachung, was den Enthusiasmus des Publikums angeht. "One more meh" statt "One more thing".

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen fehlt in Relation zum erreichten technischen Stand tatsächlich die ganz große Hingucker-Innovation, die auch massenmarktreif ist. Zum anderen sind wir, naja, verwöhntes Pack, das so schnell von nichts mehr beeindruckt ist.

Dazu kommt aber eben auch, dass sich ein gewisses Plateau eingestellt hat: Es gibt Standards, die Smartphones, Tablets & Co. jetzt einfach bringen müssen. Und die Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen werden dabei zunehmend inkrementeller, die Produkte austauschbarer. Dass ihr Marketing das ebenfalls wird, ist nun nicht gerade hilfreich. Denn auch die Werbespots sehen alle irgendwie, naja, gleich aus. Was fatal wirkt, denn so verstärkt das Marketing noch den Alles-schon-mal-gesehen-Eindruck, den das Publikum vom Produkt ohnehin schon bekommen hat.

CollegeHumor hat mal aufgelistet, wie die gängigen Klischees dazu so aussehen:

Dienstag, 27. August 2013

Netzespresso: Looks like Music - Malen wir Musik

Noten schreiben oder Musikinstrumente spielen ist nicht jedermanns Sache. Eine Installation im Luxemburger Museum Mudam lässt trotzdem jeden Teilnehmer Musik machen - besser gesagt, aufmalen. Das Projekt Looks Like Music des japanischen Künstlers Yuri Suzuki setzt dazu kleine Roboter - genannt Colour Chaser - ein, die Farben in Klänge umwandeln. Mit schwarzem Stift können die Besucher den Farbjägern ihre Reiseroute vorgeben. Und mit bunten Markierungen Töne auslösen. Der Begriff audiovisuell bekommt da gleich einen ganz anderen Dreh. Musizieren mittels Buntstift und Roboter.



Looks Like Music - Mudam 2013 from Yuri Suzuki on Vimeo.


Die visuelle Performance spielt für unsere Wahrnehmung von Musik ohnehin eine große Rolle, wie eine aktuelle Studie zeigt. Und nein, ich meine damit nicht Fälle wie Miley Cyrus bei den VMAs. Chia-Jung Tsay kam auf die Idee, Probanden die Gewinner von Musikwettbewerben raten zu lassen - und zwar auf Grundlage von Videoclips ihrer Perfomance ohne Ton. Interessanterweise gelang das denen besser als der Gruppe, die nur die Audiospur bekam. Das heißt nun logischerweise nicht, dass sie das bessere Spiel gesehen hätten - aber es belegt den Einfluss der sichtbaren Performance und Körpersprache, auch auf die Fachjurys. (Sie haben ja nicht bewertet, ob das die besseren Musiker waren. Sondern ob sie bei Wettbewerben gewonnen haben. Das ist nicht zwingend deckungsgleich.)

Freitag, 16. August 2013

Amazon, der Shitstorm und der datengestützte Zynismus - Was bleibt?

Machen wir ein Update zu Shitstorms und ihrer Halbwertszeit in der Aufmerksamkeitsökonomie: Amazon, war da was? Vor einem halben Jahr ging es rund im Netz (und auch in Medien), der Online-Versandhändler bekam nach einem Leiharbeiter-Beitrag der ARD verbal richtig aufs Dach. Dazu hatte ich einen Blog-Artikel geschrieben:

Darin schrieb ich auch: 
"Denn der Aufregung im Netz, den Abschwörungen des Kaufs bei Amazon, den wütenden und entsetzten Worten werden eben keine Taten folgen. Einen spürbaren Schaden würde es aber nur auslösen, wenn sich das Kaufverhalten tatsächlich ändern würde. Druck substanziell und nachhaltig entstünde. Was nicht passieren wird.

(...)

Wer jetzt völlig entrüstet darüber ist, dass ich unterstelle, seine Empörung werde keine Konsequenzen nach sich ziehen, nimmt bitte an folgendem Experiment teil: Ruft den elektronischen Kalender eurer Wahl auf und stellt euch eine Terminerinnerung ein für - machen wir es uns einfach - den 15.8.2013: "Meine Bestellungen bei Amazon checken". Ist der zweite Menüpunkt im Kundenkonto. Auftrag dazu: "Bestellungen seit 15.2.2013 zählen"."

Und nun? Wie sieht der Kassensturz aus?

Jeff Bezos hat gut lachen. Bild: Amazon.com
  

Haben die Menschen ihr Konsumverhalten verändert? Musste Amazon nachhaltig reagieren? Brennen die entrüsteten Kritiker noch immer vor Zorn?

Mittwoch, 14. August 2013

Kleine Kaiser, Waterloo-Ängste und Feldherrenhügel - Napoleon, der Spiegel und die Zeitungsdebatte Tag2020

Seit dem 5.8. wogt nun durchs Netz und den Spiegel-Blog die Debatte um die Zukunft der Zeitung, verhashtagt mit Tag 2020 und verschlagwortet mit Zeitungsdebatte. Inzwischen erreicht sie zunehmend ein Metastadium: Es wird mehr über die Debatte diskutiert als über ihre Inhalte. (Das ist im Übrigen in gewisser Weise typisch für dieses Thema und einer der Gründe, warum wir uns im Kreis drehen.)

Das begann schon früh, mit Thomas Knüwer, der harsch kritisierte, dass der Spiegel die Napoleon-Geschichte, nicht Schnibbens Debatten-Auftaktartikel "Breaking News" aufs Cover hob.

Hier sollten wir uns allerdings einer unbequemen Frage stellen: Hatte die Redaktion des Spiegel nicht sogar recht bei dieser Entscheidung? In dem Sinne, dass sich ein größerer Teil der Spiegel-Leser für ein so drängend aktuelles Thema wie Napoleon und die Völkerschlacht 1813 interessiert als für eine Debatte zur Zukunft der Zeitung?

Bild: Templermeister / pixelio.de


Blicken wir kurz auf die Aktivität auf SpOn zur Zeitungsdebatte, die eher Nebeneinander von Standpunkten als Debatte ist:

Unter Schnibbens "Elf Vorschläge für bessere Zeitungen" finden sich 98 Kommentare, unter seinem Text "Brauchen wir noch Tageszeitungen, und wenn ja, welche?" sind es 174. Das Forum zur Zeitungsdebatte bringt es auf 130 Beiträge. Und die einzelnen Gastkommentare? Gutjahr erreicht noch die meisten Social Shares, der Facebook-Zähler seines Texts steht auf 1200. Selbst wenn wir davon ausgingen, dass das alles überschneidungsfrei ausfällt - die Welt ist das nicht.

Kleiner Vergleich: Sascha Lobos SpOn-Kolumne Die Mensch-Maschine erreichte mit dem letzten Beitrag zur Methode Pofalla, einer Analyse "politischer Verschleierungstaktik", 240 Kommentare und 2700 Facebook-Shares.

Und dabei handelt es sich beim besten Willen nicht um ein buntes, boulevardeskes, "gut gehendes" Thema.

Dienstag, 6. August 2013

Silicon Valley ist nicht Damaskus, Springer nicht der Medienheiland

Hach ja, der digitale Vorreiterkonzern Axel Springer, der, nachdem er prägender Teil der Nachkriegs-Printmedienlandschaft war, nun die Zeichen der Zeit erkannt hat und volldigitalisiert. Samt Reise nach Silicon Valley als Damaskuserlebnis. Was für eine schöne Story.

Quelle: Screenshot aus The Story of Axel Springers Famous Garage.

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann pilgert als "geölter Berlin-Journalist" ins gelobte Silicon Valley und kommt als bärtiger Digital-Hipster zurück, der mit entschlossen zurückgeworfener Hoodie-Kappe Bild screaming and kicking in die digitale Medienzukunft zerren will, samt online verdientem Geld und 24-Stunden-Redaktion. Und Springer-Außenminister Christoph Keese, der vor seinem Kalifornien-Trip mit aller Kraft für ein Leistungsschutzrecht und gegen Google antrat, kehrt zurück und macht aus seinem Blog quasi als erste Amtshandlung einen Aggregator.

Silicon Valley als Ort der Erweckung und Umkehr (oder wahlweise Umschlagplatz für ganz harte Drogen mit seltsamen Nebenwirkungen), das wäre eine schöne Story.

Sie hat bloß leider einen Haken: Sie ist nicht wahr.

 Oder ungefähr so wahr wie Axel Springers Garage.




Denn die Bild war vorher schon genauso die trafficstärkste Medien-Site in Deutschland, der vormalige Verlag Springer schon lange auf dem Weg zum digitalen Konzern, der auch im Verlagsgeschäft tätig ist. Und Keese meint mit Aggregator im ersten Schritt, dass er dpa-Inhalte mit aufnimmt, zudem natürlich mit sauber geklärten Rechten (überhaupt gibt es diesen Blog wie seinen Twitter-Account schon lange.)

Das ist kein plötzlicher Wandel. Auch wenn der Funke-Deal ein Paukenschlag war und Diekmann nach seiner Rückkehr von einer anstehenden Revolution sprach.

Denn ganz ehrlich: Um auf die Idee zu kommen, Redaktionen zusammenzulegen und Redakteure ihre Geschichte unabhängig vom Endkanal betreuen zu lassen, muss man nicht nach Silicon Valley reisen.

Montag, 22. Juli 2013

Warum wir DLDWomen brauchen - Ein paar nachträgliche Gedanken zur Innovationskonferenz mit Frauen-Fokus

Anfang vergangener Woche fand in München zum vierten Mal DLDWomen statt - der Frauen und weibliche Perspektiven in den Fokus rückende Spross von Burdas DLD-Innovationskonferenz-Reigen. (Streng genommen ein Ableger der schon länger etablierten Digitalkonferenz DLD, inhaltlich aber eher eine notwendige Erweiterung. Aber dazu komme ich später.)



Das Programm wie die Speaker und Gäste haben gezeigt, dass wir weiter gekommen sind in den letzten paar Jahren. Der Anteil von Frauen in hochrangigen Positionen unter den Speakern ist seit Beginn spürbar  angestiegen, das ist zumindest mein Eindruck. Einige der Reaktionen auf die Konferenz haben dagegen gut gezeigt, warum wir sie brauchen. 
 
 Ja, "wir". Da der Schreiber dieser Zeilen ein Mann ist, schließt das Männer mit ein.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Die Foto-App Rando als Flaschenpost - was passiert bei Sharing ohne Social?

Die Sozialisierung des Webs hatte schon fast epidemische Züge: Jeder flanschte Social Features an, keiner war mehr damit zufrieden, ein Bilder-Archiv, ein Bookmarking-Dienst oder sonstwas zu sein, alles muss schön viel Web 2.0 enthalten. Im Bereich der Foto- und Video-Apps galt es sowieso, Nutzern möglichst viele Optionen zum Teilen und Folgen und Vernetzen zu geben. Über die Folgen in Bezug auf Selbstdokumentation und Selbstdarstellung habe ich auch schon mal was geschrieben.

Das Digital-Studio Ustwo ging für ein Experiment einen anderen Weg und stellte sich die Frage: Was passiert eigentlich, wenn man eine "antisoziale" Photosharing App baut?

Das Ergebnis ist Rando. Eine App, in der aus Fotos gewissermaßen digitale Flaschenpost-Botschaften werden. Rando-Nutzer können Fotos schießen und diese verschicken. Sie wissen aber nicht, an wen. Nur wer ein Bild verschickt, erhält auch eines. Alles, was er dazu erfährt, ist die Region, aus der es stammt. Kein Name, kein Nutzer. Keine Profile, kein gezieltes Teilen, keine Follower. Nur der zufällige (Rando für Random) Austausch von Fotos, asynchron. 

Quelle: Rando Website.


Mit der Spielerei ging es Ustwo auch darum zu sehen, wie Nutzer reagieren. Würden Sie eine Plattform nutzen, auf der sich keinerlei Beziehung aufbauen lässt? Auf der alle Elemente der Selbstdarstellung fehlen, aber auch der gegenseitigen Incentivierung durch Likes, Faves und ähnliches? Würden Sie Fremden Bilder schenken, ohne die geringste Steuerungsmöglichkeit oder das kleinste Feedback?

Sonntag, 7. Juli 2013

Netzespresso: Wake up and hear the Coffee

Da bin ich wieder, nach urlaubs- und arbeitsbedingter Pause. Starten wir mit neuem Schwung und dazu passend mit etwas, das die Kreativität anregen soll: Kaffee. Der Grundtreibstoff für die meisten Medienmenschen (und nicht nur für Menschen aus diesem Branchensegment) löst biochemisch betrachtet die Bremsen im Hirn, wie es James Hamblin bei The Atlantic formuliert. 

(Als Reaktion auf den New-Yorker-Text How Caffeine Can Cramp Creativity im Übrigen, derartige Attacken kann man ja schließlich nicht unkommentiert lassen.)
(Ja, für intellektuell gehobene Medien wie den New Yorker oder The Atlantic ist sowas eine Grundsatzdebatte.)
Bild: Screenshot von Stoccos Clip Huge Coffee.


Jedenfalls: Das Erlebnis einer Tasse Kaffee ist zumeist ein im wesentlichen geschmackliches, auch noch ein olfaktorisches ("Wake up and smell the Coffee"). Der Tonkünstler Diego Stocco allerdings macht daraus ein audiovisuelles Happening. Als kleines Pausenprojekt hat er den Soundtrack zum Morgenkaffee produziert. 

So klingt eine Tasse Kaffee:



Diego Stocco - Huge Coffee from Diego Stocco on Vimeo.

Kaffee als multisensorisches Erlebnis. Eine Seite, von der man sein Heißgetränk sonst eher selten kennenlernt. Und ein gutes Beispiel dafür, was es mit offenen Augen und Ohren alles an Details um uns herum zu entdecken gibt.

Dienstag, 18. Juni 2013

Project Loon - Googles hochschwebende Ideen und das Internet für alle

Google ist ja durchaus auch für hochfliegende Pläne bekannt: Pfeilschnelle Verkabelung in Teststädten, selbstfahrende Autos und natürlich die Datenbrille Google Glass, die Tech-Jünger wie Paranoiker schon jetzt in größte Wallungen versetzt. Project Loon passt da eigentlich genau rein und verblüfft trotzdem: Internet via Ballon.

Was Googles im Entwicklungsbereich Google X eingesperrte verrückte Wissenschaftler da zum Fliegen bringen wollen, steht unter dem ambitionierten Ziel Internet für alle. Und ja, mehr Internetnutzung zahlt natürlich auch auf Googles Geschäftsmodell ein. Trotzdem hängt sich der Konzern rein, um Ideen gegen die weißen Flecken zu entwickeln. Mehr als etwa die Telekom, die den Netzausbau auf dem Land zwar auch gern als Argument für höhere Kosten nimmt, bei Investitionen aber nicht gerade an vorderster Front steht.

Loon zielt aber nicht aufs deutsche Hinterland ab, sondern eher auf andere Weltregionen, die das First-World-Problem "Ich habe kein Netz" deutlich ausgeprägter trifft. Der erste Testfall für das Projekt findet gerade in Neuseeland statt.

Montag, 10. Juni 2013

Muskelspiele: Myo und die Gestensteuerung via Armband

Unbeobachtetes Gestikulieren: Dem Konzeptreigen zur Gestensteuerung gehören auch Teilnehmer an, die auf Kameras verzichten. Das ist nicht nur für diejenigen interessant, die Überwachungsängste im Zusammenhang mit sie observierenden Konsolenkameras plagen - es erweitert schlicht die Einsatzmöglichkeiten, wenn meine Steuerungsmöglichkeit nicht daran gebunden ist, sich im Sichtfeld einer Kamera bewegen zu müssen. Denn die muss dann ja irgendwo stehen, was spätestens draußen schwierig werden kann.

Das Startup Thalmic Labs etwa schraubt an Myo - einem Armband zur Gestensteuerung. Das Gerät misst die elektrische Aktivität der Muskeln. Und aus deren Veränderung lässt sich die durchgeführte Bewegung ableiten. 

So lassen sich dann Vorgänge mittels Fingerschnipsen starten oder Navigation aus dem Handgelenk vollführen, ganz ähnlich wie die Wisch-Bewegungen bei der Kamerasteuerung.



Die Gründer haben kürzlich 14,5 Millionen Dollar Venture-Kapital erhalten, um ihr Projekt voranzutreiben.  Und sie verzeichnen bereits 30000 Vorbestellungen der ersten Fassung, die sie 2014 auf den Markt bringen. 

Noch ist diese auf rund 20 Bewegungen beschränkt, die als Steuerbefehl erkannt werden. Aber das Konzept, Elektromyografie als Steuerung einzusetzen, ist interessant. Weil es die Kamera überflüssig macht. Mit dem Internet der Dinge und dem Trend zu Wearables, also vernetzten Gegenständen, die wir an uns tragen, wird die Zahl der Geräte, mit denen wir über ein Interface interagieren, signifikant steigen. Dabei sind auch Ideen gefragt, wie diese Steuerung, diese Interaktion aussieht. Tatsächliche Tastaturen oder Touch-Oberflächen eignen sich nur für einen Teil. Und Sprachsteuerung wird immer nicht nur an der Genauigkeit bei Störgeräuschen leiden (da lässt sich einiges filtern), sondern auch daran, dass nicht jeder in aller Öffentlichkeit mit seinen Geräten reden will. Diverse Varianten von Gestensteuerung eignen sich für bestimmte Vorgänge vermutlich besser, setzen manches organischer und präziser um.

Und ja, Nerds finden es zudem cool, Drohnen mit einer Drehung des Handgelenks zu steuern.



Verwandte Artikel:
Zappeln, Schütteln, Fingerzeig – Interfaces jenseits der Touchscheibe  

Freitag, 31. Mai 2013

Zappeln, Schütteln, Fingerzeig – Interfaces jenseits der Touchscheibe

Was nützt der Doppelklick in Gedanken: Kürzlich hat Samsung ein Konzept für eine Tablet-Gedankensteuerung vorgestellt. Damit soll es Personen möglich sein, ein Galaxy Tablet mittels EEG-Sensoren auf dem Kopf zu bedienen, Apps zu starten, Kontakte auszuwählen, Lieder aus Playlists auszusuchen. Das Denkerkappen-Konzept ist allerdings nur ein Test und nicht für den Massenmarkt gedacht, eher um Menschen mit Beeinträchtigungen das Leben zu erleichtern. Dennoch spielt es Überlegungen zu neuen Interface-Konzepten durch – hier die Steuerung via Sensorik.

Denn der Erfolg von Geräten mit Touch-Bedienung führt ja schön vor Augen, dass es weit intuitivere Steuerungen als Maus und Tastatur gibt. Daher mal wieder ein paar Zeilen zu Natural User Interfaces & Co.

Bild: Screenshot von Leap Motions Demovideo.

Vergangene Woche hat Microsoft seine neuen Konsole Xbox One präsentiert. Und damit die neue Version seiner Kinect-Sensorik, die via Kamera und Mikrofon Nutzerkommandos entgegen nimmt. Diese neue Fassung kann bis zu sechs Personen gleichzeitig monitoren. Erfassen, wer von ihnen spricht, wer zum Bildschirm sieht, wer welche Bewegungen ausführt. Entsprechend steht Kinect auch im Zentrum der Big-Brother-Ängste um die neue Xbox – denn dadurch, dass die Konsole via Sprachkommando oder Geste aktiviert werden kann, ist die Sensorik auch im Standby-Modus an. Mir geht es aber nicht um Orwell, mir geht es darum, wie weit dieser Interface-Weg damit schon gekommen ist. Die technischen Möglichkeiten von Kinect sind beeindruckend. Umso mehr, weil schon bei der Vorgänger-Version die spannendsten Anwendungen nicht von Microsoft selbst kamen, sondern Kinect-Hacks waren. 

Dienstag, 21. Mai 2013

Werbelügen - Wie man Menschen dazu bringt, einen zu hassen

Anfang letzter Woche haben eine Reihe von Medientiteln eine Kampagne gegen die Nutzung von Adblockern gestartet, Programmen, die Werbeflächen auf Websites blockieren. Und die Aufregung brandete hoch. "Wie können die es wagen, zu verlangen, dass ich mir ihren Werbeschrott ansehe?" "Geht doch sterben", "Elende Konsumpropaganda" und so fort. Plus das auf Knopfdruck abrufbare "Jaja, die Medien haben das Internet einfach nicht verstanden." (Zu letzterem Punkt ist Frank Patalong lesenswert der Kragen geplatzt.) Dazu kam eine ganze Reihe von Nutzern, die so überhaupt erst erfuhren, wie simpel sich Werbung blocken lässt. (Barbra Streisand sagt "Hallo".)

Der Debattenverlauf über eine Woche hinweg zeigte neben den üblichen Reflexen aber auch ein paar Wahrheiten auf, und wie das mit Wahrheiten so ist, sind sie zumeist unbequem. Wir müssen uns von ein paar Werbelügen verabschieden, und damit meine ich Lügen über Werbung. Dazu zählen "Im Internet ist doch alles kostenlos", "Die Nutzer akzeptieren doch Werbung voll und ganz", "Online-Werbung ist total großartig, so wie sie jetzt ist" und "Klar, auf die Site passt auch noch eine aufmerksamkeitsstarke Werbeform mehr." Stattdessen sollten wir ein paar Wahrheiten in die Augen sehen.

Online-Werbung: Zu oft zum schreien, auch die, die nicht von Zalando kommt. // Bild: S. Hofschläger / pixelio.de

Zum einen: Menschen wollen keine Werbung. Aller Lebenslügen von Unternehmen, Publishern, Werbern zum Trotz verzehren sie sich in der Mehrzahl nicht danach, ungefragt tolle Neuigkeiten zu Unternehmen und Produkten zu erfahren.

Montag, 13. Mai 2013

"Sozial" heißt nunmal nicht "gut" - Unsere dunkle Seite in Social Media

Wenn Menschen über Social Media sprechen, dann begehen sie oft einen Fehler, den sie auch außerhalb von Netzthemen gern machen: Sie setzen "sozial" mit "gut" gleich. Das aber ist ideologisch aufgeladender Unsinn - sozial heißt schlicht gesellschaftlich. Überspitzt gesagt stellt jemandem eine runterhauen genauso soziales Verhalten dar wie jemandem die Hand schütteln. Es liegt gesellschaftliche Interaktion vor. 

(Gut, dem geregelten Zusammenleben ist mit gewisser Wahrscheinlichkeit letzteres förderlicher, aber es geht ums Prinzip.)

Insofern ist der Begriff Social Media ein sehr treffender - denn was wir auf Twitter, Facebook & Co. sehen, ist menschliches Verhalten in seinen positiven wie negativen Facetten. Ein Spiegel, der zwar manches verzerrt, der von vielen auch dafür verwendet wird, sich möglichst positiv darzustellen, der aber doch auch die Schatten, die Schwachstellen, die Häßlichkeiten zeigt.

Bild: Alexander Klaus  / pixelio.de

Soziale Plattformen geben Menschen in vorher ungeahntem Ausmaß die Möglichkeit, das, was sie erleben, denken und tun, mit anderen zu teilen. Das Problem: Was Menschen denken und tun ist nicht immer nett. Und das spiegelt sich im Netz wider.

In einem längeren Blogpost hat ein Facebook-Moderator(*) mal seinen Arbeitsalltag beschrieben:

"Imagine going to work every day and at the start of your day, with your first cup of coffee, you sit down to glance at beheadings, children in the process of being raped, human bodies in various stages of decomposition, the living and dead results of domestic violence, hanging bodies of 10 year old boys accused of being gay, real-life snuff films and bloody dog fighting rings and their subsequent results. Can you think up a human horror? I’ve probably seen it or a picture or video of something very similar."

(* Der Blog-Autor behauptet, für Facebook als Moderator zu arbeiten. Überprüfen kann ich das nicht, aber sein Bericht deckt sich mit dem, was andere erzählen.)

Sonntag, 21. April 2013

Netzespresso: BlabDroids oder Wie Roboter eine Doku über Menschen drehen

Stellt euch vor, ein putziger kleiner Papproboter rollt auf euch zu und fragt euch mit heller Kinderstimme, ob er euch ein paar Fragen für eine Doku über Mensch-Maschinen-Beziehungen stellen kann. Was würdet ihr tun? Und was würdet ihr tun, wenn euch der kleine Kameramann fragt, was das schlimmste ist, das ihr je getan habt, wen ihr am meisten liebt, was ihr völlig aufgegeben habt? Genau das will BlabDroids mit dem Filmprojekt Robots in Residence herausfinden.


Die Robo-Kameramänner. Bild: Screenshot von Blabdroid.com.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Filmemacher Brent Hoff und dem MIT-Roboterbastler und Künstler Alexander Reben will die erste von Robotern gedrehte Doku der Welt fabrizieren. Dazu schicken sie auf Festivals die Roboter - Cubies genannt - unters Volk, jeder ausgerüstet mit Kamera, Lautsprecher, Sensoren, die feststellen, ob sich vor ihm ein Mensch befindet, und einem Set aufgezeichneter Fragen.

Montag, 8. April 2013

Gedanken zur Zukunft der Medien, Teil 3: E Pluribus Unum

Im Anschluss an die Gefahr der reinen Reichweitenjagd und eine Betrachtung von Paid Content geht es in Teil 3 um den Wert der eigenen Rolle und eigenen Stimme. Denn, wie schon in den vorigen Texten angerissen, kann Austauschbarkeit nicht das Ziel von Medien sein, ist sogar eine der größten Gefahren.

Wer laut jammert, dass es ja allgemeine Inhalte auch anderswo im Netz zuhauf gäbe, übersieht die darin liegende Chance: Ich muss nichts ausführlich machen, was meine Leser an x anderen Stellen genauso finden können. Die Ressourcen dafür kann ich mir sparen. In der gerade durch die Digitalisierung bedingten Informationsvielfalt sind einzelne Medientitel erst recht nur eine von vielen Stimmen, aus deren Chor der einzelne Nutzer seine Informationen bezieht.

Das mag einigen höchst unwillkommen sein und Angst machen, eröffnet aber auch Chancen. So Verlage sich vom alten Leitbild "Leser, du sollst keine anderen Medien neben mir haben!" lösen und die Pluralität nicht nur anerkennen, sondern für sich nutzen.

Die eigene Stimme fokussieren - auf das, was man zum Gesamtklang beitragen kann. Bild: AllthingsD.


Die Vernetzungsmöglichkeit stellt – so lapidar das nun klingen mag – ein ganz zentrales Merkmal des Netzes dar. Die Weigerung mancher Medien, auf andere Quellen – entweder Mediensites oder Blogs, Homepages, was auch immer, zu verlinken, stammt aus dem ursprünglichen Alleinvertretungsanspruch und dem Bestreben, möglichst viel Traffic zu horten. Auf andere verweisen wäre aber ein Gedanke, der viel organischer zur Netznatur passen würde - und natürlich Teil des journalistischen Auftrages oder Schaffens darstellt. Die Auswahl und Präsentation von Themen gehört fest zu diesem Beruf. Auf andere verweisen und verlinken, allgemeines in Kürze, auch via dpa, präsentieren, Aggregationsbereiche und Klicktipps anbieten, das passt da alles hinein - als Service. Andere da aufgreifen, wo es sinnvoll und absolut ausreichend ist. Man muss nicht alles selbst machen, gerade dann, wenn es eigentlich nichts eigenes beizutragen gibt.
Wir sind  nicht aber "nur" Kuratoren.

Wir sind auch Stimmen, die aufmerksam machen, unterhalten, analysieren und einordnen sollen. Auch das bringen, das sich nicht überall, sondern vielleicht kaum findet. Kurz: etwas eigenes beitragen.

Denn wenn man sich der Wahrheit stellt, dass das eigene Medium nur eine Stimme im Konzert ist, wird auch klar: Das Schärfen, die Ausbildung dieser Stimme ist für den Erfolg ein ganz zentraler Punkt. Das heißt, dass die Redaktion eine klare, wiedererkennbare Tonlage und Haltung an den Tag legen muss.

Montag, 1. April 2013

Gedanken zur Zukunft der Medien, Teil 2: Was ist ein Artikel wert?

Im zweiten Teil einer Reihe von Gedanken zur Zukunft der Medien wird es um Paid Content gehen. Nachdem sich der erste Teil damit auseinander gesetzt hat, dass der bloße Blick auf Reichweiten zur Werbevermarktung uns nicht wirklich weiter bringt, sondern einiges an auch inhaltlichen Risiken birgt, scheint es logisch, sich weiteren Erlösquellen zu widmen.

Denn die simple Erkenntnis ist: (Text-)Medien werden im Großen und Ganzen gar keine andere Wahl haben als Geld für ihr Tun von ihren Nutzern zu verlangen. Es geht hier nicht um abstrakte Diskussionen, es geht um simple Arithmetik. 

Die gefürchtete Bezahlschranke. Erstens ein blöder Begriff. Und zweitens werden wir nicht drumrum kommen. Bild: Hartum Fischer / Pixelio.de

Wer Zweifel daran hat, dass die Werbevermarktung allein für den Markt nicht ausreichen wird, sei neben Teil 1 auch auf den aktuellen Report The State of the News Media 2013 des Pew Resarch Centers verwiesen. 
Dort finden sich nicht nur Fakten wie der, dass die US-Zeitungen 2012 ein Drittel weniger angestellte Redakteure aufweisen als 2000 und durch Kürzungen eine Medienlandschaft entstanden ist, in der fast ein Drittel der Befragten sich von einem Titel abgewandt hat, weil er nicht mehr die Art von Informationen bietet, die sie gewohnt sind und erwarten. Mit Blick auf die Säule Werbeerlöse stellt Pew auch fest:

"The news industry continues to lose out on the bulk of new digital advertising. Two new areas of digital advertising that seemed to bring promise even a year ago now appear to be moving outside the reach of news: mobile devices and local digital advertising."

Der Großteil der Branche wird weitere Erlösquellen neben Werbung schlicht brauchen. Und Paid-Content-Konzepte, bei denen die Nutzer direkt zahlen, sind dafür ein logischer Kandidat. 

Klassischerweise lautet der erste Einwand hierzu: "Mein Gott, wer soll denn dafür zahlen?" Interessanterweise ein Einwand, den gerade Journalisten oder ehemalige Journalisten gern vorbringen. Nun ist ein gewisses Maß an kritischem Zynismus in diesem Beruf durchaus nützliches Handwerkszeug. Aber ganz ernsthaft: Wenn meine Einstellung dem was ich tue gegenüber "dafür würde doch keiner was zahlen" ist, dann sollte ich vielleicht darüber nachdenken, ob ich nicht andere Arten von Texten schreiben sollte.

Mittwoch, 20. März 2013

Netzespresso: Die New York Times und die ernst genommenen Leserkommentare

Wie immer, wenn die ehrwürdige New York Times auch nur die kleinste Änderung durchführt, stößt auch das Austesten eines neuen Kommentarformats auf Interesse bei anderen Medien. Mathew Ingram hat dazu mal gewitzelt, dass wir in den Medien, sollte die NYT mal ihr Kreuzworträtsel-Layout ändern, wohl auch einen Tag darüber diskutieren würden, ob das die Zukunft des Journalismus sei. Was die NYT jetzt in ihrer Kommentarfunktion anläßlich der Papstwahl ausgetestet hat, ist aber in der Tat interessant. Wenn auch in der Wichtigkeit irgendwo zwischen den Polen Kreuzworträtsel-Layout und Zukunft des Journalismus. Und dabei näher am Kreuzworträtsel, ehrlicherweise.

Die NYT hat zu diesem Anlass nämlich strukturierte Leserkommentare ausprobiert. Bevor jemand den Artikel kommentieren konnte, galt es, die eigene Reaktion kurz auszuwählen - Überrascht oder nicht, positiv oder negativ eingestellt. Dazu die optionale Angabe, ob man Katholik ist oder nicht. Über dem Kommentarfeld selbst stand die klare Frage, welchen Einfluss auf die Kirche Papst Franziskus der eigenen Meinung nach wohl haben werde - und die Antwort selbst war auf 100 Worte begrenzt.

Dieses Modell ist nicht in dem Sinne eine Trollabwehr - die NYT moderiert ihre Kommentare ohnehin und hängt den Anspruch an die Leser nur wenig tiefer als den ans Blatt selbst. Aus den FAQs:

"We are interested in articulate, well-informed remarks that are relevant to the article. We welcome your advice, your criticism and your unique insights into the issues of the day. Our standards for taste are reflected in the articles we publish in the newspaper and on NYTimes.com; we expect your comments to follow that example. A few things we won't tolerate: personal attacks, obscenity, vulgarity, profanity (including expletives and letters followed by dashes), commercial promotion, impersonations, incoherence and SHOUTING."
(Überlegt euch mal, wie viel da bei manchen anderen Sites übrig bleiben würde, wenn man das ernst nimmt.)