Donnerstag, 2. Februar 2012

Amazons Quartalszahlen sind nicht enttäuschend, sondern Zeichen einer langfristigen Strategie

Nach der Veröffentlichung von Amazons Quartalszahlen ist der Aktienkurs erst mal 8,8 Prozent abgerutscht. Weil Analysten ein Drittel Umsatz mehr zu wenig fanden. Und sie der Gewinneinbruch wie der vom Online-Händler für Q1 2012 erwartete Verlust von 100 bis 200 Millionen Dollar schockte.

Die Wiwo zitiert via Bloomberg den Analysten Colin Gillis mit den Worten: "Die Enttäuschung beim Umsatz hat das Momentum zerstört. Die Wachstumsstory bricht gerade zusammen."

Mitnichten. Wir sehen die Befestigung ihrer Brückenköpfe, das ist alles.



Was zusammenbricht, sind nur die Wolkenschlösser von Leuten, die dachten, das Tablet Kindle Fire ist der große tolle iPad-Killer und erwirtschaftet aus dem Stand im Startquartal Traumumsätze.

Apples CEO Tim Cook tat den Kindle Fire bei der Präsentation der eigenen Zahlen stattdessen mit einem Schulterzucken ab. Kein Effekt auf die iPad-Zahlen. Dass er den klaren Marktführer nicht kratzt, heißt aber nicht, dass der Kindle Fire nicht funktionieren würde. Mit geschätzten vier, fünf Millionen verkauften Stück wildert er stattdessen ordentlich im Markt der Android-Tablets.

Was mich nicht überrascht. Wieso? Wartet, ich krame kurz einen Text aus dem September raus.
Schaut solange dieses Video an.


Da bin ich wieder.
Vom 30.09.:
*räusper*


In der Kurzfassung: Amazons Kindle Fire ist kein iPad-Killer. Definitiv nicht.
Wenn man schon eine Konkurrenz benennen will, ist es eher für Android-Tablets gefährlich.
(…)
Den Android-Wildwuchs wird das Kindle Fire weit heftiger roden als die iPad-Zahlen.

Das dürfte – auch wenn Amazon weiterhin nur grobe Größenordnungen für alle Kindle-Modelle (also die diversen Reader und den Fire) nennt – wohl den Tatsachen entsprechen.

Ein Indiz dafür liefern Daten von Flurry, die nach Auswertung ihrer Daten den Fire in der App-Nutzung im Januar 2012 auf Augenhöhe mit dem Samsung Galaxy sehen. Auf beide entfallen 36 Prozent der End User Application Sessions auf Android-Geräten. Diese etwas verschraubte Formulierung soll heißen: 36 Prozent der von Flurry getrackten Sitzungen – ein Nutzer öffnet die App, verbringt Zeit in ihr und schließt sie dann – gingen von Kindle Fires aus. Flurry trackt nach eigenen Angaben 20 Prozent aller App-Sessions auf 90 Prozent aller Android-Geräte.



Diese Daten sollte man zwar a) mit gewisser Vorsicht genießen und b) nicht mit dem Anteil der Geräte im Markt gleichsetzen, da auf den neu gekauften Fires in der ersten Euphorie vermutlich mehr rumgespielt wird als auf vorhandenen Samsung Galaxys. Sie belegen aber, dass sich Amazon einen ordentlichen Happen vom Android-Tabletmarkt geschnappt hat.

Und in Verbindung damit, dass laut Flurry die Fire-Nutzer auch mehr Pay-Apps runterladen als Galaxy-Nutzer, geht hier die Amazon-Strategie auf. Der Fire als Medienkonsumgerät, die direkte End-to-End-Verbindung für jede Art von Medieninhalt.

Das lässt sich Amazon-Gründer Jeff Bezos einiges kosten – an Investitionen in die Entwicklung, am Verlustpreis, mit dem die Tablets verkauft werden, und mit einer teuren Kundenservicegestaltung (kostenfreies Amazon Prime für ein Jahr mit jedem Fire, kulantere Rückgaberegelungen).

Weil Bezos weiterdenkt als ein Quartal. So what, wenn Amazon im nächsten Quartal Verlust macht? Es geht darum, diese direkte Verbindung zu etablieren. Nicht, um iTunes zu überrollen, sondern um sich sein eigenes Kuchenstück zu sichern. Amazon – dabei bleibe ich – will kein besseres oder größeres Apple sein, auch wenn sich durch die beiderseits holistischen Ansätze die potenziellen Konfliktfelder mehren. Die Kindle-Geräte sind Kanal-Endpunkt, nicht Selbstzweck als Device. Apple dagegen baut Kombinationen aus Gerät und Ökosystem.
Dinge wie der Ausbau des eigenen Publisher-Geschäfts im e-Booksegment oder der Vorantrieb des Video-on-Demand-Business (mit Lovefilm und ähnlichen Dingen) sind für Amazons Strategie ebenfalls zentral. Es geht darum, alle Aspekte des E-Commerce zu besetzen. (Logistik-Dinge, Cloudcomputing etc. sind Ausflüsse der dafür nötigen eigenen starken Strukturen, die Amazon aber gern annimmt und ausbaut). Ein Tablet als Medienkonsumgerät ist dabei nur ein Baustein. Und es passt in diese Logik, dass der Fire als ein Modell der Kindle-Familie gesehen wird – das Ding ist als Multimediareader gedacht, nicht als Tablet.

Auch der gestiegene und weiter wachsende Anteil von Drittanbietern, die über Amazon verkaufen, stärkt die Bedeutung der Marke im E-Commerce. Kostet zwar momentan Umsatzhöhe, ist aber perspektivisch interessant. An der weiteren Verzahung mit Social Commerce arbeitet Amazon zudem, auch da dürfte dieses Jahr noch einiges passieren.

Das alles spricht für eine längerfristige Strategie. Und Bezos hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er so denken kann. Auch wenn er mal Finanzanalyst war.

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